Masha Sedgwick (@masha) ist eine der bekanntesten Content Creatorinnen Deutschlands. Mit einer Leichtigkeit schafft sie es, diverse Themen wie Fashion, Beauty und Politik zu vereinen und setzt sich leidenschaftlich für eine bessere Visibilität von Themen der Gleichberechtigung und Frauengesundheit ein. Wir haben uns mit Masha getroffen, um mit ihr über das Thema reproduktive Rechte und das Werbeverbot für die „Pille danach“ zu sprechen. Lest hier einen Auszug aus unserem Gespräch.
Masha, Du äußerst Dich regelmäßig zu Themen wie sexueller Gesundheit und reproduktiven Rechten. Warum liegen Dir diese Themen so am Herzen?
MS: Für mich haben diese Themen ganz grundsätzlich etwas mit Gleichberechtigung und Menschenrechten zu tun. Gerade das Thema reproduktive Rechte betrifft in meinen Augen überdurchschnittlich Frauen. Das liegt unter anderem daran, dass der Gesetzgeber insbesondere Frauen in ihren Rechten einschneidet, aber auch weil Frauen in der Medizin grundsätzlich fast unsichtbar sind. Wir machen zwar Fortschritte, aber immer nur in kleinen, langsamen Schritten. Mir reicht das persönlich nicht. Ich möchte gerne größere Schritte sehen.
Wenn wir auf Notfallverhütung als Tabu-Thema eingehen: Wir haben in Umfragen festgestellt, dass Frauen noch immer große Scham empfinden, überhaupt darüber zu sprechen, oder in eine Arztpraxis oder zur Apotheke zu gehen. Denkst du, das hat auch damit zu tun, dass dieses Thema im gesellschaftlichen Diskurs vermieden wird?
MS: Grundsätzlich kann man ja festhalten, dass Geschlechtsverkehr beide Geschlechter betrifft, und trotzdem wird Frauen vor allem die Verantwortung für das Thema Verhütung übertragen. Und wenn dann eine Verhütungspanne passiert, dann wird sofort Frauen die „Schuld“ dafür gegeben. Dann heißt es, man sei zu dumm, die Pille zu nehmen.
Andere Vorwürfe folgen und ich habe selten gehört, dass einem Mann der Vorwurf gemacht wird, ob er zu blöd ist, ein Kondom vernünftig anzuziehen. Es ist immer ein Frauenthema und dazu musste ich mir selbst natürlich auch viel anhören, als ich über das Thema Abtreibung gesprochen habe. Ob man mich nicht aufgeklärt hätte. Dabei vergessen viele: Pannen passieren natürlich! Und auch, dass die Verhütung an sich auch nicht immer zu 100 Prozent funktioniert.
Gerade wenn man vielleicht etwas jünger ist und noch nicht so viel Erfahrung mit dem eigenen Körper hat, dann empfindet man, glaube ich, eine umso größere Scham. Denn das Thema Sex ist natürlich gerade bei Frauen extrem tabuisiert und Notfallverhütung ist da, glaube ich, ein besonderes Thema.
Warum ist Aufklärung rund um Notfallkontrazeptiva so wichtig? Und woran fehlt es derzeit?
MS:Als Frau bist du dazu gezwungen, dich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Aber wie willst du das denn machen, wenn du kaum Informationen findest?
Viele Informationen online stammen von Seiten, die nicht positiv gegenüber den reproduktiven Rechten der Frauen eingestellt sind. Es gibt sehr einseitige Webseiten, die sehr einseitige Information liefern und die teilweise auch viel mit Schuldzuweisungen arbeiten.
„Als Frau bist du dazu gezwungen, dich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Aber wie willst du das denn machen, wenn du kaum Informationen findest?“
Insofern gibt es ein Problem mit Aufklärung. Verhütung und auch Notfallverhütung sind tabuisiert, was den Zugang zur Information erschwert. Gleichzeitig wird vorausgesetzt, dass alle Frauen top informiert sind, aber woher soll man die Information bekommen? Und nicht jeder hat das Glück, ein Elternhaus zu haben, das einen frühzeitig und umfangreich aufklärst.
Es fehlt beispielsweise an Aufklärung, dass diese Mittel überhaupt verfügbar sind. Mir war das selbst zum Beispiel gar nicht bewusst. Mein letzter Stand war damals auch, dass die „Pille danach“ rezeptpflichtig ist. Zumindest wurde diese Hürde inzwischen durch eine europäische Initiative aufgehoben. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und den haben wir sicherlich auch vielen Aktivist:innen zu verdanken, die auf europäischer Ebene arbeiten. In Deutschland werden einem in diesem Bereich immer noch viele Hürden in den Weg gestellt, so zum Beispiel das Werbeverbot.
Es ist absurd, dass man zu diesem Thema nur eingeschränkt kommunizieren und informieren darf.
„In Deutschland werden einem in diesem Bereich immer noch viele Hürden in den Weg gestellt, so zum Beispiel das Werbeverbot.“
In Deutschland wurde das Werbeverbot für Notfallkontrazeptiva zeitgleich mit der Rezeptfreiheit implementiert. Es wird damit begründet, dass Frauen durch Werbung zu einem Missbrauch von Notfallverhütungsmitteln angeregt würden. Was sagst Du zu dieser Annahme?
MS: Damals haben männliche Politiker diese Verordnung vorangetrieben. Auch hier zeigt sich, dass im Grunde Männer über die reproduktiven Rechte und die Selbstbestimmung von Frauen bestimmen. Zeitgleich spricht man Frauen die Verantwortung für ihren eigenen Körper ab. Man geht davon aus, dass Frauen nicht mündig sind, über ihren eigenen Körper entscheiden zu können und dass es Männer braucht, die für sie darüber entscheiden. Jedenfalls gibt es keine gute Erklärung dafür, warum ausgerechnet diejenigen, die keine Kinder bekommen können und statistisch nicht die Care-Arbeit für Kinder übernehmen, Verhütung einschränken und Abtreibungen verbieten wollen. Das ist in meinen Augen schlichtweg unverschämt und ignoriert die Lebensrealität vieler Frauen. Wenn das Ziel sein sollte, dass in Deutschland wieder mehr Kinder zur Welt kommen, dann ist das auf jeden Fall nicht der richtige Weg, sondern die Förderung und (finanzielle) Unterstützung von Frauen und Kindern.
„Man geht davon aus, dass Frauen nicht mündig genug sind, über ihren eigenen Körper entscheiden zu können und dass es Männer braucht, die für sie darüber entscheiden.“
Wenn man Deutschland mit anderen Ländern vergleicht, meint man auf den ersten Blick, dass Frauen hierzulande ihre reproduktiven Rechte frei ausleben können. Ist das so – oder gibt es da noch „Baustellen“?
MS: Ich glaube, mit den Frauenrechten ist es ein bisschen wie mit der Demokratie. Man muss sich regelmäßig dafür einsetzen, muss dafür kämpfen. Deswegen ist es mir so wichtig, mich auch weiterhin für reproduktive Rechte einzusetzen, denn wir sind noch lange nicht an dem Punkt, wo wir wirklich vollständige Gleichberechtigung haben. Mich dafür regelmäßig einzusetzen, bedeutet deswegen nicht nur den Status quo auch weiterhin zu erhalten, sondern auch das Thema Gleichberechtigung voranzutreiben. Natürlich sind wir in Deutschland sicherlich weiter als in anderen Ländern, aber wir sind schlichtweg noch nicht am Ziel.
Was können Gesellschaft und Politik tun, um die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen in Deutschland zu fördern?
MS: Ganz grundsätzlich brauchen wir mehr Aufklärung, nach wie vor. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für diese Themen. Wir brauchen die Unterstützung nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern, um Frauen mehr Verantwortung für ihren Körper zu überlassen. Das bedeutet natürlich auch, dass Gesetze, die Frauen in ihrer Freiheit beschränken, abgeschafft werden. Das bedeutet, dass man Frauen zutraut, eigene Entscheidungen treffen zu können und verantwortungsvoll mit dem Thema der reproduktiven Gesundheit umgehen zu können.